Montag, 28. September 2020

Warum mir der Genderstern schon jetzt auf die Eier*stöcke geht !

 Zu Beginn möchte ich eine Sache klarstellen. Wenn ich im Folgenden den Genderstern gebrauche, dann tue ich dies aus Gründen der beispielhaften Veranschaulichung, nicht aus Wertschätzung heraus.  

Eigentlich verspüre ich wenig Lust über dieses Thema weiter zu schreiben. Bereits mehrmals habe ich zuvor über die Problematik des exzessiven Genderns versucht meinen Unmut kund zu tun und über die PC herzuziehen. Erst vor kurzem hatte ich mein Statement klar gemacht und wollte das Thema ruhen lassen. Doch in den letzten Tagen und Wochen konnte ich die unkontrollierbaren Ausmaße immer deutlicher zu spüren bekommen, weshalb es definitiv einen weiteren Kommentar dazu braucht. Egal ob Podcasts, Internetseiten, Radio, YouTube-Videos, Anzeigetafeln oder Software, überall lächelt mir der zweiteilende Spaltenstern ins Gesicht. Dazu beigetragen hat womöglich insbesondere die Aufnahme des Gendersterns in die jüngste Ausgabe des Dudens. Dieser Veröffentlichung nach wird nun der Genderstern im Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren aufgeführt und empfohlen. Im Allgemeinen ist das zwar noch keine grammatikalisch anerkannte Form, aber wer sich unbedingt dazu berufen fühlt, seiner schmutzigen, misogynen, altertümlichen Ausdrucksweise einen neuen, sauberen Glanz zu verleihen, der hat hier nun sein Reinigungsmittel gefunden. Die Frage ist nur, ihr lieben Korrekten und Gerechten, habt ihr auch alle Problematiken und Konsequenzen in Betracht gezogen ? Warum ich mit Gewissheit den Genderstern weder in verbaler, noch in schriftlicher Form nutzen werde und weiterhin die Verwendung des generischen Maskulinums vorziehe, möchte ich hier an 7 Punkten verdeutlichen.     


1. Das Geschlecht wird zur entscheidenden Kategorie - andere Minderheiten werden symbolisch ausgeschlossen

Das generische Maskulinum lässt uns nur an Männer denken. Wir leben in einer Männergesellschaft. Mehr Gleichberechtigung für Frauen ! Dies soll sich auch in der Sprache ausdrücken. Das ist oft die Forderung, derer sich Vertreter der feministischen Linguistik und der PC gerne annehmen. Dass diese Thesen nie bewiesen wurden und eher Glaubensfragen darstellen, sei hier nur am Rande erwähnt. Darüber ließe sich streiten. Der naturalistische Fehlschluss, oder je nach Ansicht auch infame Kunstgriff, besteht jedoch darin, dem Deutschen eine inhärente, männerdomminierende Bösartigkeit zu unterstellen, weshalb es einem Andersformulieren bedarf, um diskriminierendes Denken zu beseitigen. Also propagiert man gerne, es gäbe eine eins zu eins Beziehung zwischen Sprache und Denken. 

Kleines Experiment dazu. Nehmt euch zehn Sekunden Zeit und denkt an einen Baum. 

Zu Ende gedacht ? Gut. Nun beantwortet die folgenden Fragen für euch. Ist der Baum ein realer oder gezeichneter ? Ist der Baum neben anderen Bäumen oder allein in der Vorstellung ? Ist es ein konkreter Baum wie Buche oder Eiche, oder ist er abstrakt ? In welcher Jahreszeit befindet sich der Baum ? Trägt er dabei Blätter und Früchte ?

So, wie wahrscheinlich ist nun die Tatsache, dass wir alle das gleiche imaginäre Bild eines Baumes erdacht haben ? Diese Frage ist natürlich rhetorisch. Begriffe wie Baum, Lehrer oder Schüler sind zunächst abstrakt, weshalb sich unter kontextlosen Bedingungen unterschiedlichste Vorstellungen darunter entfalten können. Dies ist keineswegs ein Nachteil, es ist eine stärke von Sprache, da sie das abstrakte Denken erst ermöglicht. Würde ich die Aufgabe so formulieren : Denkt an einen Laubbaum. Dann schließe ich damit automatisch Nadelbäume aus. Ich enge also durch das spezifischere Formulieren den Raum des Denkens ein. Dies kann unter Umständen auch gut und gewollt sein, aber im Falle der permanenten Verwendung des Gendersterns heben wir Sprache sofort auf die Geschlechterebene.  

Eine Problematik, die zudem alle Formen des Genderns betrifft. Denn der Sinn des Genderns besteht schließlich darin, das Geschlecht explizit sichtbar zu machen und anzusprechen. Das transportiert allerdings die Botschaft, es käme besonders auf das Geschlecht an und man müsse hier eine zuvor nicht angesprochene Gruppe jetzt in den Vordergrund stellen. Wie gesagt, unter Umständen, und wo es sinnvoll erscheint, spricht nichts gegen den Einsatz der -beispielsweise- Paarnennung. Doch was ist dann mit den "echten" benachteiligten Minderheitengruppen ? Was passiert mit Schwulen, Lesben, Transsexuellen, Schwarzen, Juden, Muslimen, Behinderten usw. ? Warum unterscheiden wir sprachlich plötzlich nur noch in der Kategorie des sexuellen Geschlechtes ? Warum zeigt mir Spotify Künstler*innen an, wobei genauso gut andere Minderheitengruppen zu Künstlern zählen ? Als drehe sich alles nur um Eier*stöcke. Die Unsichtbarkeit, die das generische Maskulinum nach wie vor leistet, hat dagegen den großen Vorteil, dass es alle Kategorien ausblendet und paradoxerweise somit alle Kategorien inkludiert. 


2. Der Genderstern fügt sich nicht in das Deutsche Grammatiksystem

Ein Punkt, den man schnell an einem Beispiel abhaken kann. Versucht folgenden Satz mit Hilfe des Gendersterns zu gendern :

Die Berufe des Anwalts und des Arztes sind beide sehr erstrebenswert.


3. Der Genderstern ist unästhetisch und hemmt den Lesefluss

Gut, das mag sicher subjektiv sein, aber auch hier kann ein einfacher Text am besten dazu dienen, die Empfindung dieser Problematik zu verdeutlichen.

Die meisten Lehrer*innen sind Expert*innen im Umgang mit Schüler*innen. Sie agieren vielfältig als Wissensvermittler*innen, Ansprechpartner*innen, Pädagog*innen, Betreuer*innen, sowie Unterstützer*innen und Erzieher*innen. Reine Didakt*innen dagegen ...   


4. Der Genderstern ist sexistisch

Sogar die Begründerin der feministischen Linguistik Luise Pusch lehnt den Genderstern ab, da die weibliche Benennung in Form des Suffix "innen" nur ein Anhängsel an die männliche Stammform symbolisiert. Frauen werden demnach zwar erkenntlich, aber nur angehängt. Wenn also von Lehrer*innen die Rede ist, dann steht an erster Stelle immer noch das generische Maskulinum, welches nun "nur" erweitert wird. Eine ähnliche unlösbare Situation entsteht bei der Nennung der Doppelform. Lieber "Lehrerinnen und Lehrer" oder doch "Lehrer und Lehrerinnen" schreiben ? Beide Schreibweisen benachteiligen eine der beiden Gruppen, da irgendjemand stets der Zweitgenannte bleibt. 

Als ich meinen ersten Abschluss an der Universität zu Ende brachte, erhielt ich ein standardisiertes Schreiben des obersten Rektors, in dem man mir einige letzte Glückwünsche mitteilte. Die Anrede lautete "Liebe Absolventin, lieber Absolvent...". Nun hätte man mich aufgrund meines Namens auch direkt als Absolventen ansprechen können - schließlich gibt es kein Grund bei bekanntem Geschlecht die Anrede für beide Seiten zu formulieren; was mich allerdings viel mehr störte ist die Tatsache, dass man mich damit als einen explizit männlichen Absolventen darstellen möchte. Als wäre das ein erwähnenswertes Kriterium, wonach bei der Verteilung von Glückwünschen zu differenzieren wäre. Dass man auf diese Art geschlechterdifferenziertes Denken eher unterstützt als abbaut - gut, das mögen die Verfasser eines Tages selbst herausfinden. Im Falle des Genderstars ist die Wirkung ähnlich, da ,wie zuvor schon in Punkt 1 erläutert, das Geschlecht die im Vordergrund stehende Kategorie bildet. Unter der Prämisse "Nennen Sie die zehn bekanntesten Politiker*innen Deutschlands", wird sich derweil mit hoher Zuversicht Angela Merkel befinden. Hierbei wird durch das Genderwort sofort darauf verwiesen, dass es sich bei Angela Merkel um eine Politikerin (!) handelt. Als interessiere sich der Mob heutzutage eher für das Geschlecht des Bundeskanzlers als dessen Politik.        


5. Der Genderstern moralisiert die Sprache und bildet Nährboden für die Cancel Culture

Seht her, wir gendern. Wir denken auch an euch Frauen ! Denn an euch Frauen muss schließlich extra gedacht werden. Das Narrativ wird in Zukunft lauten, wer gendert, der setzt sich für Frauen ein, der ist für Gleichberechtigung, der ist progressiv, der ist korrekt ! Und was ist mit den Andersdenkenden ? Wer sich dieser Sprache nicht bedienen will ? Wer sich weigert ? Ist der- oder diejenige dann ein Abweichler ? Darf man sich mit so jemandem noch unterhalten ? Darf man Bücher noch lesen, die nicht gegendert sind ? Werden Arbeiten schlechter bewertet oder zurückgewiesen ? Die Antwort lautet in Teilen schon "ja". Ich möchte es nicht prophezeien, aber die Anzeichen sind schon erkennbar, dass es eine überstarke Moralisierung in Diskursen gibt, die zum Anlass für Ausladungen und Zensur herhält. Der Genderstar diktiert dahingehend die Ausübung des moralisch korrekten Formulierens. Denn wer nicht für Gleichberechtigung ist, der ist schließlich dagegen. Und was heute noch ein "kann" und eine Richtlinie heißt, das ist morgen schon ein "muss" und eine Verpflichtung. Egal ist, was jemand wirklich im Sinn hatte als er das generische Maskulinum verwendete. Das entscheidende ist, dass er nicht gegendert hat.


6. Der Genderstern folgt keiner natürlichen Sprachentwicklung

Sprache entwickelt sich ständig weiter. Dem Satz kann man wirklich bedenkenlos zustimmen. Bedenken sollte man dagegen Sprachentwicklungen, die nicht auf natürliche Weise, sprich der alltäglichen Interaktion in der Gesellschaft und demokratischen Kommunikation zwischen Individuen erfolgen. Sprache reagiert nämlich auf reale Gegebenheiten und ihr Gebrauch ist keinem Zwang unterworfen. Das Jugendwort "Smombie" , welches einer Neuschöpfung aus den Wörtern "Smartphone" und "Zombie" entspringt, ist ein Beispiel für solch eine natürliche Entwicklung. Individuen greifen die Beobachtung eines nicht-Wortes (das Phänomen, dass Menschen vergleichbar Zombies umherwandeln und dabei auf ihr Smartphone starren) auf und abstrahieren den beobachteten Gegenstand in einem Neologismus. Der Genderstar hingegen ist ein Kreationismus, der der feministischen Sprachtheorie entspringt und zu einem speziellen Zweck konzipiert wurde : Den Leser und Hörer immer und immer wieder mahnend daran zu erinnern, dass auch Frauen in der Gesellschaft leben und diese gefälligst gleichberechtigt sind. Denn es reicht nicht einfach einem Menschen einen Gedanken mitzuteilen. Er soll diesen Gedanken verinnerlichen. Er soll erzogen und konditioniert werden. Ganz wie in der Bahn, wenn uns der liebe Herr Kretschmann alle paar Minuten über eine Durchsage mitteilt, wie richtig und wichtig es doch ist, Masken zu tragen und Abstand zu halten. Danke, großer Bruder !         


7. Das Spiel mit der Sprache leidet

Im Gegensatz zum Genderstern kann das generische Maskulinum aufgrund seiner semantischen Vielfalt wesentlich variantenreicher verwendet werden. Einige Beispiele : 

Die Schweiz ist ein guter Gastgeber.

Niemand konnte den Mörder erkennen, er entkam in letzter Sekunde.

Sarah und Nicole waren die letzten Tänzer auf der Bühne. 

Dreißig Prozent aller Politiker sind Frauen.

An diesem Abend waren dreizehn weibliche Gäste und vier männliche anwesend. 

Übung macht den Meister.

Die Polizei, mein Freund und Helfer.

Jeder sollte sich angesprochen fühlen.

Er ist eine Person von Rang und Namen.

In all diesen Sätzen kommt das generische Maskulinum zum tragen und erweist sich dabei wesentlich wandelbarer und vielfältiger als die Genderform. Was bei der Verwendung des Gendersternchens und der Verteufelung des generischen Maskulinums oft außer Acht gelassen wird, ist der Kontext, an den sich letzteres offensichtlich sehr viel besser anpassen kann. Es ist daher kein Wunder, dass die generische Form für das Schreiben und Formulieren bevorzugt wird. Sicher birgt das generische Maskulinum ob seiner Ambiguität auch das Potenzial missverstanden zu werden. Aber auch das gehört zur Sprache und läuft für mich unter Sprachvielfalt, ebenso wie das Spiel mit der Sprache. Schlimmer dabei ist nur, dass diese Uneindeutigkeit versucht wird, in eine Richtung zu deuten. (Siehe Punkt 5). Habt ihr etwa bei einem Baum nur an eine Pflanze gedacht ? Schämt euch ! Es gibt auch Stammbäume und Bäume als Datenstrukturen...         

Und vielleicht habt ihr es gemerkt, ich habe ein bisschen geschwindelt. Im letzten Beispiel oben kommt gar kein g.M. vor, sondern das generische Femininum. "Die Person" besitzt nämlich das weibliche Genus. Das wirft doch glatt die Frage auf, ob wir konsequenterweise nicht auch diese Formen gendern sollten ? Schließlich könnten Männer dadurch benachteiligt werden. Wenn wir also wirkliche Geschlechtergerechtigkeit fordern und fördern, dann müssen wir auch das generische Femininum neutralisieren. Wie wäre es dann vielleicht mit Person*er ?   


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