Montag, 6. Januar 2020

Die 10 Lieblingsalben - Teil 1 : Iron Maiden - "Brave New World"


Das neue Jahrzehnt hat begonnen und die guten Vorsätze sind entweder bei den meisten direkt wieder verworfen worden, gar nicht erst formuliert, oder doch eifrig im Gange. Zu meinen ernsthaften Absichten zählt dieses Jahr vorwiegend, dieses Ressort hier nicht aushungern zu lassen und das Schreibniveau weiter nach oben die Seite zumindest in unregelmäßigen Abständen mit Inhalt zu füttern. Im geistreichen Monolog mit meiner Selbst kam dann schnell der Wunsch danach, einmal die Top 10 der allerliebsten Alben ausführlich zu analysieren. Knapp jeden Monat ein Album, das passt vom Umfang betrachtet ohne überhand über allzu viele Lebensbereich zu besetzen. Für anderes gehaltvolles Geschreibe will ebenso noch Platz freigehalten sein. Kleine Warnung vorneweg : Toplisten sind wie immer subjektiv und im allgemeinen dämlich verknappend; insbesondere dann wenn man die Liste auf klägliche 10 Favoriten einzudämmen hat. Gibt ja schon allein mehr Musikgenres, wie soll man da bitteschön die besten 10 Alben rausfiltern ? – Idiot(!) Also behelfe ich mir mit einem psychologischen Trick und benenne diese Blogserie kurzerhand zu einer persönlichen Empfehlungsliste meiner 10 Lieblingsalben um, die man zumindest im Regal stehen haben sollte; respektive in der Bibliothek des Streaming-Anbieters abspeichern sollte.

Den Anfang der „Zehn empfohlene Lieblingsalben, die man in seinem Leben schon mal gehört haben sollte“ – Liste macht „Brave New World“ von Englands Metal-Urgesteinen „Iron Maiden“.
(Vorsicht ! Der vorliegende Beitrag enthält in erhöhtem Maße subjektive Meinungsäußerung!)

Dass sich Iron Maiden Anfang der 90er in einer Kreativitätskrise befanden und eine düstere Tiefphase bevorstand, hatte nur unmerklich mit zeitgeistigen Umständen zu tun. Bereits auf dem unterwältigenden „Fear of the dark“ merkte man der Avantgarde der „New Wave of British Heavy-Metal“ an, dass sie in ihren Reihen an interner Uneinigkeit litten. Gitarrist Adrian Smith hatte die Schnauze nach den zurückliegenden Synthie-Eskapaden auf „Somewhere in time“ und „Sevent Son of a Seventh Son“ gestrichen voll und beklagte, dass er in seinem kreativen Mitsprachrecht (wohl zurecht) übergangen werde. Der Ausstieg aus der Band folgte prompt- und Dickinson kurze Zeit später. An dessen Stelle trat mit Blaze Bailey ein Sänger, dessen Stimme für die nächsten Jahre weder in das Gesamtbild passte, noch in der Lage war die ominösen Alarmsirenenschreie von Dickinson zu reproduzieren; geschweige denn daran heranzureichen.

Glücklicherweise dauerte es allein zwei Alben bis wohl Steve Harris wieder zur Vernunft zurückkehrte und den Ruf der Marke vor schlimmsten Schaden abwehren konnte.  Mit der Vereinigung der Urformation im Jahr 1999, erweitert um den dritten Gitarristen Janick Gers, nahm die Band schließlich ihr Millenium-Album „Brave New World“ auf.
„Brave New World“ , das sich im Namen und entsprechend auch inhaltlich an Aldous Huxleys bekanntem Romanklassiker anlehnt, changiert zwischen alten, bereits etablierten Trademarks der Band. Dazu zählen galoppartige Gitarrensalven, intoniert von aneinandergereihten Triolen, messerscharfe, schnell nach vorn gerichtete Riffs, Variationen von ABAB-Songschemata und Ohrwurmmitsingzeilen. 
Darüber hinaus offenbart die Band aber auch einige progressivere Elemente, womit das Album passgenau auf die Welle von Dream-Theater und co. aufspringt. Gleichzeitig erlebt der totgeglaubte, klassische Heavy-Metal dadurch eine kleine Renaissance um die Jahrtausendwende. Doppelgitarren, ausufernde harmonische Solos und pointierte Orchestrierung bietet das Album am laufenden Band und muss sich mit dem temporeichen Doppel aus „The Wickerman“ und „Ghost oft the Navigator“ nicht vor frühen Klassikern und vergleichbaren Opening-Duos ala „Aces High“ und „2 Minutes to Midnight“ verstecken. 

Der namensgebende Titeltrack- ebenso typisch für tradierte Metal-Alben- bleibt größtenteils unaufgeregt und wirkt zwar mehr nach einer Fingerübung, überstrahlt poetisch gelesen andere Stücke aus der Diskografie allerdings bei weitem. Dickinson gibt sich zudem in Bestform und wird ärgerlicherweise in vielen Sequenzen um seine eigene Stimme gedoppelt. Freilich eine Geschmackssacke; zumindest hält sich der Einsatz künstlicher Verschlimmbesserung in Grenzen und seinie Gesangslage, die in den darauffolgenden Alben, insbesondere in „The Final Frontier“,teils in unerträgliches Gejohle abrutscht, schafft hier gerade noch den Spagat zwischen fremdschämender Theatralik und Gespür für kraftvolle Töne.   

Highlights sind auf der Platte unausweichlich die Songs mit Überlänge. Als Paradebeispiel dient etwa das an der neun Minutenmarke vorbeischrammende „Dream of Mirrors“, welchem es gelingt die insgesamt hervorragende Produktion und die räumliche Tiefe ebenso wie "The Nomad" mit am besten einzufangen. Zudem verlaufen die Stücke interessanten Spannungsbögen, die gar nicht mal so vorhersehbar sind und gekonnt zwischen Atmosphäre und metallischer Härte hin- und herwechseln. „The thin line between love and hate“ geht als Schlussnummer den umgekehrten Weg und beginnt zuerst mit aufgeladenen mid-tempo Gitarren und legt sich dann wie ein müder Löwe langsam zu Ruhe. Natürlich nicht ohne ein letztes Aufbäumen.   

Über allem steht jedoch „Blood Brothers“. Ein Lehrstück in Sachen progressiver Musik und zeitgenössischem Metal. Tempowechsel spürt man in dem fein säuberlich arrangierten 7-Minüter kaum, da die Übergänge nahtlos und ohne große Ansage harmonisch ineinander gleiten. Eine Eigenschaft, die dem Stück insgesamt einen angenehmen Fluss einverleibt, der mal sprudelt, dann wieder sanft dahinplätschert und schlussendlich in einem tosenden Gänsehautmoment gipfelt. „Blood Brothers“ verkörpert dabei Ballade, Stadionrock und Gitarrenmusik in einem, und das so grandios auf den Punkt gebracht, dass dem gesamten Album schlagartig, und bei jeglicher Kritik um Selbstreferenzialität, eine existenzielle Daseinsberechtigung verleiht wird.  

Wie bei jeder Scheibe der Briten findet sich jedoch auf „BNW“ das ein oder andere Füllstück, das gerne unter dem Titel „nett aber nicht nötig“ läuft. Die Filler heißen in dieser Analyse  „Fallen Angel“, „The Mercenary“ oder wahlweise auch „Out of the siltent planet“. Nähme man die drei aus der Rechnung raus, bliebe für den Zuhörer immer noch ein Album mit knapp 50 Minuten Laufzeit und einem beachtlichen Katalog, der zum Schwelgen und Entdecken einlädt. So bleibt unterm Strich ein leicht getrübter Höreindruck, der zwischendurch ein wenig Mittelmaß hinnehmen muss und man möchte sagen, Standardkost vorgesetzt bekommt. Stören werden sich daran eingefleischte Fans und Golden-Age-Syndrom-Befallene , die Alben wie „Piece of Mind“ und „Powerslave“ in einem direkten Vergleich anführen und ja sowieso nur die Erstlingswerke zu schätzen wissen.

Auch die sind nicht fehlerfrei und konstant auf einem Niveau, weshalb man etwas Material, das zu viel des Guten ist, aber billigend in Kauf nehmen darf. Dafür hat „BNW“ allen Maiden-Alben, inklusive aller bis dato erschienen Nachfolgewerke eines voraus. Und das ist das Geschenk einer wuchtigen und glasklaren Produktion im besten Sinne von Metallicas „Black Album“ oder Pink Floyds „Dark Side oft the Moon“. Der druckvolle Sound wirkt dabei niemals überproduziert, gibt jeder Spur seinen Akzent und lässt in den richtigen Momenten immer noch Raum für die nötige Dynamik. Ein Lehrstück eben, weshalb man nicht oft genug darauf hinweisen kann. Kaum überraschend, dass die Platte dieses Jahr bereits das zwanzigste Jubiläum feiert und noch immer nach frischer Pressung klingt. Ungeniert ließe sich Ahnungslosen aufschwatzen, das Album sei erst gestern im Laden erschienen, viele würden dem wahrscheinlich nicht widersprechen. Solche Musik, die nach zwei Jahrzehnten nichts von ihrer Wirkung und Strahlkraft eingebüßt hat, gehört damit zurecht verbreitet und wieder aufgegriffen. Und damit erst Recht in diese Liste.

(Anspieltipps : The Wickerman, Blood Brothers, The thin line between love and hate)


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