Sonntag, 22. Dezember 2019

Schwach War's - "Rise of the Skywalker" - Review


2019 endet bald und die meisten freuts sicherlich. Zurück liegt ein Jahr, das nicht unbedingt dank allzu schöner Erinnerungen glänzen konnte. Egal ob Chaos-Brexit, Chinas innerer Kampf gegen westliche Verhältnisse, Terroranschläge und Amokläufe in USA und Deutschland, das Aufleben der neuen Rechten in den Bundesländern und die, unter anderem anlaog verbundene, Hetze in sozialen Netzwerken, die damit einhergehende Degeneration von Diskussionskultur, Artikel 13 oder der ergebnislose Kampf einer jungen Generation gegen unökologisches, kapitalistisches Wachstum in Form zivilen Ungehorsams. 2019 macht einzig allein Lust auf den optimistischen Blick nach vorne. Und die zuletzt aufgenommene Frage nach den Grenzen des Wachstums und Konsums, sie stellt sich uns nicht nur weiterhin in der Zukunft. Abgesehen von der Geschenkkultur der weihnachtlichen Festtage, befeuert und provoziert durch die Marketingmaschinerie von Onlineversandhandelsriesen, scheint die Proklamation einer Gleichsetzung von „mehr“ und „besser“ nun endgültig auch in der Blockbuster-Philosophie verankert zu sein. 

So zu sehen im letzten Teil der Star-Wars Sequels „Rise of the Skywalker“, dessen erschreckende Gleichgültigkeit 2019 wohl ebenso wenig retten wird.
Aber nochmal ganz von vorne angefangen. Der Imperator hat, wie direkt in den Opening-Crawls verkündet, irgendwie seit der Zerstörung des zweiten Todessterns überlebt und ist zur Genervtheit aller zurückgekehrt. Natürlich noch stärker und mächtiger als zuvor - mit einer Armee aus Sternenzerstörern, noch größer und mächtiger als zuvor. Die erste Ordnung, desolat angeschlagen und unter der Leitung des hasserfüllten Darth-Vader Epigonen Kylo Ren geknechtet, versucht derweil sich der Armee des Imperators zu bedienen um die Kontrolle über die Galaxie zu erlangen. 

Dazwischen stehen allerdings die altbekannten Helden, die das Glück hatten bis zum Ende von Episode 8 zu überleben, bzw. dem Publikum offenbar so gut gefielen, dass die Drehbuchschreiber sie für weiterhin verwertbar eingestuft haben. Allen voran Hauptprotagonistin und Jedi-Naturtalent Ray, die unermüdlich ihre Fähigkeiten trainiert und sich unter der Obhut von General Prinzessin Leia für die finale Konfrontation vorbereitet. Durch einen Spion in den Reihen der ersten Ordnung gelingt es den Widerstandskämpfern schließlich Informationen über das Überleben des Imperators und seiner Armee in der Hinterhand zu ergattern. Exegol, dessen Sternensystem und der Planet selbst sind jedoch niemandem geläufig, weshalb der Grundstein für den ca. zweieinhalb stündigen Plot hiermit gelegt wurde. Was folgt ist eine videospieleske Quest, in der Ray, Finn, Poe, Chewie und C3PO alles daran setzen den Aufenthaltsort der Sith, der Anti-Jedi Fraktion ausfindig zu machen. Diese Situation wird in der ersten fünfzehn Minuten bereits klar umrissen und auch nicht weiter ausgeweitet, weshalb der Film sich einer Geradlinigkeit angleicht, die vor allem unter chronischer Spannungsarmut und Vorhersehbarkeit einhergeht. Dabei sind das noch die geringeren Übel, die der letzte Teil der Sage notgedrungen mit sich schleifen muss.

Ein Impuls, zwei Tage nach dem ich den Film im Kino gesehen hatte, lautete unweigerlich, dass der Film als langweilig fabrizierte Unterhaltung für regnerische Sonntag-Nachmittage im Heimkino herhält. Kurzum, der Film ist vielleicht mit einer Flasche Bier und ein paar Freunden anschaubar, bleibt im Großen und Ganzen Mist. Und gleichsam bildet er einen krönenden Abschluss für das symptomatisch erkrankte Blockbuster-Kino in diesem Jahr, das man vor allem Disney und seiner Profit-orientierten Produktvermarktung in die Schuhe schieben möchte. Diese kalkuliert ihre Produktionen anhand von Testscreenings und garantiert mit etlichen Kontrollprozessen und Drehbuchschreibern, sich nie zu weit aus dem Fenster zu lehnen, immer auf Nummer sicher zu spielen, den Franchisegedanken zu berücksichtigen und in Konsequenz die Marke immer über die Kreativität und Visionen einzelner zu stellen. Scorsese lässt grüßen.

Gepaart mit der Unfähigkeit von J.J. Abrams sinnvolle und originelle Geschichten zu erzählen, bleibt der Abschluss der Saga nicht nur eine despektierliche Schändung der vorangegangen Episoden 4-6, sondern darüber hinaus ein gescheitertes Produkt, das als Negativbeispiel für lieblos zusammengeklatschtes Blockbusterkino herhalten kann. Lässt man den arg konstruierten Handlungsbogen, falls man das wirklich noch als ein Bogen mit Krümmungen bezeichnen kann, außen vor, dann gleicht Episode 9 wie auch Avengers Endgame dieses Jahr, einer einzigen Neuauflage von bereits tausendfach reproduzierten und gewollt aneinandergereihten Bildern, wie sie den Zuschauer weder zu überraschen, noch zu überzeugen wissen. Am Ende hat der Kinogänger viele Szenen aus Star-Wars gesehen, aber keinen wirklichen Film. Episode 9 und sein nostalgisch vereinnahmter Regisseur sehen sich außerdem, ähnlich dem „Erwachen der Macht“, allein darum bemüht den archetypischen Originalen zu entsprechen; und versucht diese Reminiszenzen allein größer, scharfer, glattgebügelter und polierter darzustellen. Den Geist und die Handwerkskunst der Originaltrilogie sucht man hier aber vergebens,  weshalb ein gewisse visionäre Kraft und Bildsprache, für die man ebenso Episode 1-3 lobend erwähnen muss, völlig fehlt.

Behelfen möchten sich Disney und Abrams dann offenbar über eine emotionale Bindung und mit bedeutungsschwangeren, inhaltsleeren Dialogen, die da lauten „Ich werfe einen letzten Blick auf meine Freunde“, „das ist unsere letzte Hoffnung“, „wir hatten damals nur einander“ oder „ich habe ein ganz mieses Gefühl bei der Sache“. Fairerweise findet man solche Schmonzetten ebenso in den ersten Teilen der Saga und das Pathos ist und bleibt nun einmal Konzept der Sci-Fi Opera. Aber auch Kitsch will gelernt und gekonnt sein, und davon versteht der letzte Teil der Weltraumsaga beim besten Willen so viel wie von gut inszenierten Actionfahrten. Letztere sind so hektisch, zersplittert und uninspiriert, dass man zusammen mit dem nur spärlich akzeptablen Pacing, sich allzeit ruhigere, wahrlich gefühlvolle Momente herbeisehnt, oder wieder an die grandiosen Szenen aus anderen Episoden denken muss.

Abgesehen von Ray und Kylo-Ren, deren Verhältnis und Ahnenkonflikt glücklicherweise einen verfolgungswerten roten Faden zieht, kann keiner der Nebendarsteller mit gleichwertigem Interesse punkten. Es fallen zwar zahlreiche Andeutungen, von denen man sich am Ende eine Auflösung verspricht, aber Zugeständnisse fallen hier nicht. So gab es seit Episode 7 die Vermutungen um Poe als schwul orientierten Charakter, was dem Universum eine weitere, erfrischende Note hinzugefügt hätte. Mehr als Schein und bedeutungsloses Vorgeschichtengeplänkel wird man von ihm aber nicht zu hören bekommen. Offenbar möchte es sich Disney mit China nicht verscherzen. Umarmungen sind daher dass Maximum der Gefühle. Und apropos Gefühle.    

Man könnte stundenlang über den geglückten, organischen Einsatz von Musik aus den ersten Filmen schwelgen und warum dies ein so großes Versäumnis der neuen Trilogie im allgemeinen ist. John Williams war einst in der Lage mit seinen orchestralen, epischen anmutenden und teils unvergesslichen Arrangements einen legendären Soundtrack kreieren, den jeder heute mitsummen kann. Musikstücke, die bisweilen nicht nur in ihrer malerischen Funktion auf der Leinwand gefielen und funktionierten, sondern abseits davon ganze Konzerthallen füllen konnten. Obwohl selbiger Komponist der Serie treu geblieben ist, spürt und hört man in keinem der neuen Teile den winzigsten Hauch von der Musikalität dieses Genies. Der Score ist hier zum Hintergrundrauschen verkommen, welches ab und zu die Stimmungslage entsprechend wechselt, sich aber nie in den Vordergrund drängt, was fast einem feigen Versteckspiel entspricht. Wer diesen Aspekt zuletzt unterbewertet, hat nie die Bedeutsamkeit der Kompositionen verstanden und solle bitte noch einmal den Angriff auf den zweiten Todesstern, den Marsch der imperialen Flotte, oder den Flug durch das Asteroidenfeld genau in Augenschein, bzw. Ohrenschein nehmen. Mit Nostalgie und Golden-Age Syndrom hat das nun wahrlich nichts zu tun. So ging einst Dramatik in Filmen. Es scheint nur, Abrams und seine Crew wissen um das Handwerk von Kameraarbeit, Szenenaufbau und Charakterentwicklung nicht mehr allzu viel Bescheid. Vielleicht spielt es für sie auch keine Rolle.

Episode 9 legt damit tatsächlich seine eigene Problematik offen und schiebt die Diagnose gleich hinterher. So fällt im Film die Frage, wie es denn damals gelinge konnte, dass die Rebellen die Zerstörung des Todessterns und die Zerschlagung des allmächtigen Imperiums bewerkstelligen konnten, obwohl sie doch klar in der Unterzahl waren und ihre Mittel begrenzt schienen ? Genau so stellt sich mir unmittelbar die Frage, wie konnte die erste Sage mit wenigen Millionen Budget zu solch einem Meisterwerk avancieren ?  Die Antwort liegt wohl im Zeitgeist, in der visionären Kraft, in der schöpferischen Freiheit und im Willen weniger Menschen, etwas großartiges zu leisten. Star Wars 9 und seine zwei direkten Vorgänger sind so gut wie nichts davon, dafür aber ein Franchise-Produkt aus dem Lego Fanbaukasten von 1977, welches mit Allzweckreiniger poliert und auf dem Silberteller serviert wurde. Wer damit schon in seiner Kindheit gespielt hat, dem zucken die Finger es anzufassen und auszuprobieren. Wer sich traut, lässt dann einen kritischen Blick darauf fallen und entsorgt das Ding prompt im Mülleimer. Denn „Rise of Skywalker“ ist nicht mehr als ein teures, platzverschwendendes Spielzeug aus der Marketingabteilung, das nochmal zur Hochsaison verschenkt wird. In diesem Sinne, frohe Weihnachten!

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