Qualityland, so nennt Autor Mark-Uwe Kling die Welt von
Morgen. Wenn wir nicht schon heute in dieser Dystopie (?) verweilen, die uns in
dieser wunderbar schwarzhumorigen und zynisch durchzogenen Gesellschaftssatire skizziert
wird. In Qualityland, dem überhaupt besten Land der Welt, gibt es nur noch
Monopolistische Strukturen, die den Menschen in jeder Hinsicht das Beste vom Leben
versprechen. Es gibt kein einfaches Essen mehr, sondern Qualitätsnahrung, keine
simplen Wohnungen mehr, sondern Qualitätsapartments, Qualitätsbabys,
Qualitätsstädte, rosafarbene Qualitäts-Delfinvibratoren, Qualitätsfilme und andere
Qualitätsprodukte, individuell zugeschnitten auf die Bedürfnisse jeden Bürgers,
bezahlt mit Qualitätsgeld. Alles ermöglicht dank großer Konzerne wie TheShop, dem
größten Online-Versandanbieter, oder Everybody, das eine soziale Netzwerk, das alles
und jeden registriert und miteinander verbindet. Hier wird jeder Wunsch von
deinem Profil abgelesen.
Mit Hilfe künstlicher Intelligenzen, Robotern und Prozessen
der Automatisierung eroberten diese Konzerne die Welt Stück für Stück, indem sie
zunächst sämtliche Ineffizienz und Unproduktivität (also Menschen) beseitigt,
Konkurrenten aufgekauft haben und den Kunden grenzlose Konsumfreiheit boten.
Und weil die Algorithmen von solcher Intelligenz strotzen, dass sie in der Lage
sind, die Lebenslinie und das Verhalten eines Menschen schon vor der Geburt zu
bestimmen, werden uns die Produkte, von denen wir eben noch nicht wussten, dass
wir sie begehren, unmittelbar und ungefragt vor die Haustür geliefert; von Drohnen,
die uns immer in freundlich erheiterter Tonalität danach fragen, ob wir mit der
Lieferung denn zufrieden sind ?
Dem Menschen wird in Qualityland nicht nur die Mühsamkeit
erspart, Objekte der Begierde zu produzieren, ihm wird sogar die Schwierigkeit
zur Entscheidung abgenommen. Eine künstliche Intelligenz weiß ja noch bestimmt
wohl, was das Beste für einen ist. Denn woher soll denn jemand selbst wissen,
wer er ist und was er möchte ? Bei all der Vielfalt und Freiheit, wer kann da
noch alleine den Überblick über das Angebot halten und seine Vorlieben und Interessen
damit in Einklang bringen ? Wer könnte also folglich unsere Geschmäcker besser
analysieren, als der Algorithmus, dem wir sie anvertrauen ? Deswegen gibt es in
diesem System auch keine Fehler und nichts, das aneckt oder uns nicht gefällt. Und
was wir vermeintlicher Weise gar nicht wollen, das wussten wir eben bisher noch
nicht; jetzt schon.
In Qualityland stecken tausende Referenzen, Anekdoten und Querverweise
auf Literatur, Philosophie und Populärkultur rund um Science-Fiction und Gesellschaftstheorie.
Eigentlich liest sich Qualityland wie ein moderner Querverschnitt aus „1984“
und Lustigen Taschenbüchern. Das ist zeitweilig nicht nur amüsant und reizt in
seinen Höhepunkten zum schallenden Lautloslachen, sondern bietet darüber hinaus
lehrreiche, bisweilen sogar aufklärerische Gedanken für den Leser. Denn die vielen
Themen, die Kling hier mit viel Fingerspitzengefühl anschneidet und mit einem ordentlichen Schwank an
bittersüßem Humor überzieht, sollten Schule machen. Ganz ohne Sarkasmus, dieser
Roman taugt zweifellos zur Pflichtlektüre im Geschichts- oder
Sozialkundeunterricht.
Zwar gewinnt der Autor, den man vor allem wegen seiner abgedrehten
Känguru-Chronik kennt, nicht zwingend neue Ideen bezüglich der Vorausschau auf
das Maschinenzeitalter, bereitet den Status Quo aber satirisch und populär für
die breite Masse auf. Den eigentlichen Clou landet Kling vor allem dann, wenn
er durch Überspitzung aufzeigt, wie sehr sich unsere heutige Welt der Asymptote
„Qualityland“ bereits angenähert hat.
Als Leser fühlt man sich dann häufig ertappt oder aufgeweckt,
denn die Parallelen zu großen Internetanbietern sind mehr gewollt als gekonnt und
erinnern permanent an die Mechanismen nach denen wir unseren Alltag fast schon selbstverständlich ausrichten.
Filme wie „Idiocracy“ und „Brazil“ lassen grüßen.
So gesehen ist Qualityland ein
Roman, der näher an der Gegenwart als der Zukunft spielt. Viele Sachverhalte
worüber man in diesem Werk lachen kann (und darf), sind in Ansätzen bereits zu
sehen. Kling gelingt es diese so komplexen Themen für uns pointiert sichtbar zu machen und stellt den Leser zwischendrin
vor eine wohlüberlegte Frage.
Was ist wohl gefährlicher ? Eine künstliche Intelligenz, erschaffen
durch die eigenen Hände, oder eine echte Intelligenz, von der man nicht weiß, wie
sie funktioniert ?
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