Neulich sprach mich ein Arbeitskollege auf einen meiner
vergangenen Block-Posts an und kritisierte meine Haltung, die ich gegenüber dem
Auto entgegenbrachte. Wir hatten darauf einen langen und ausführlichen Disput
über das deutsche Wirtschaftssystem, die Autoindustrie, Politik und Lebensphilosophie.
Während wir uns in einigen Punkten gar nicht uneins waren, gab es jedoch ein
Thema, das auf keinen gemeinsamen Nenner führen sollte. Und ich bekenne, dass ich mir
zunächst schwer daran tat, eine wirkliche Antwort zu finden. Im Wesentlichen ging es um
die Einschränkung des Konsums.
Natürlich konsumieren wir alle und genießen daher auch in irgendeiner Form das Leben. Er genieße es nun mal Spaß damit zu haben, Auto zu fahren und dass es legitim sei, teure, PS-geberstete Sportwagen zu kutschieren. Als ich ihm meine utopischen Gedanken nahelegte, eine autonome Mobilität ohne Individualverkehr herbeizuwünschen, reagierte er natürlich reflexartig. Weshalb er mich fragte, was ich denn gerne tue, respektive konsumiere? Natürlich bin ich dahingehend auch nicht unbefleckt. Ich höre gerne Schallplatten, erwiderte ich. Darauf die Frage, weshalb dieser Konsum nun gerechtfertigt sei, das Autofahren dagegen nicht, wobei das auch nur Spaß bereitet. "Wo ziehst du die Grenze ? Es geht nicht.", behauptete er.
Eine Behauptung, auf die mir zu diesem Zeitpunkt keine
wirklich gute Begründung einfiel und über die ich lange nachdenken musste. Ohne
Zweifel hingt der Vergleich dennoch. Das eine ist eine Tätigkeit, die unabhängig
von anderen Menschen bleibt. Eine Platte kann ich zuhause in meiner Wohnung
hören, auch mit Kopfhörer, ohne jemanden dabei zu stören. Das Autofahren ist in
ein kollektives System eingebunden (zumindest im öffentlichen Verkehr), bei dem
ich mit anderen in Kontakt trete und Respekt ausüben muss. Außerdem besteht der
Zweck des Autofahrens in erster Linie nicht aus Spaß. Während das Spaßargument
für Musikhören noch gelten mag und man eine Platte kauft, eben um die Freude an
der Musik zu entdecken, sollte das Auto dazu da sein, um von A nach B zu gelangen.
Denn betrachtet man das Auto als das, was es nun mal ist, ein Transportmittel, so besteht der wesentliche,
funktionale Charakter in der Mobilität. Genauso kauft man ein Album in erster
Linie wegen der Musik und nicht, weil das Cover besonders schön im Regal steht. Aber das nur am Rande.
Der eigentlich Kritikpunkt bezog sich ja auf die Problematik
der Grenzziehung. Man kann keine Grenze ziehen, ab wann etwas legitim zu
produzieren, bzw. zu kaufen ist. Vergessen wird dabei regelmäßig, dass wir viele
Produkte erst dann vermissen, wenn wir von ihnen abhängig geworden sind (oder
sagen wir, uns an sie gewöhnt haben), wobei ein Leben auch ohne Streaming, Auto
und die neuesten technischen Gadgets möglich bleibt. Das soll jetzt kein
Plädoyer für analoge Technik oder das "Golden Age-Syndrom" werden, aber ich
möchte behaupten unsere Gesellschaft produziert nicht allein die Produkte, die
für nötig gehalten werden, sondern vor allem solche Produkte, womit sich Geld verdienen
lässt. Egal welche Ethik und Moral dahinter stecken mag. Und vor diesem
Hintergrund finde ich es eine Schande, dass wir
Ressourcen teils ungesteuert in Bereiche fließen lassen, die allein den Zweck
des Spaßes und dem Gefühl der Erhabenheit dienen. Und dass Grenzen ziehen
nötig scheint, ist keine Neuheit.
Grenzen, bzw. Gesetzte und Verbote sind omnipräsent. Wenn
nun alle Entscheidungen zur individuellen Auslegungssache würde, sehe sich die
Gesellschaft einem chaotischen Zerfall gegenüber. Plötzlich könne man alles
legitimieren, da jegliches Verhalten keine Grenzüberschreitung mehr repräsentiert,
sondern eben nach dem eigenen Gewissen als vertretbar angesehen wird. Du
schlägst deine Kinder ? Nein, ich erziehe sie. Du fährst mit 200 km/h durch die
Innenstadt ? Ich bin ein guter Autofahrer, ich bin von meinen Fähigkeiten
überzeugt; außerdem macht es mir Spaß. Du hast einen Politiker zum Essen eingeladen,
ihn beim Golfen gewinnen lassen und eine Prostituierte bezahlt ? Ja, das darf
ich, ich hab schließlich das Geld dazu.
Besonders dramatisch sieht man diese Probleme dort, wo anfangs unbesiedeltes Land, also ein gewissermaßen rechtsfreier Raum betreten wird. Sprechen wir über die Anfänge des Internets, welches zurecht in den Frühphase mit der Besiedelung des Wilden-Westen verglichen wird. Jeder Mensch kann sich dorthin begeben und es scheint keine Grenzziehungen zu geben. Hervorgebracht hat diese Grenzenlosigkeit die schlimmsten Triebe und amoralischen Verhaltensweisen in der Menschheitsgeschichte. Cybermobbing, Urheberrechtsverletzungen, Propaganda, Wahlmanipulation, Suchtverhalten, Datendiebstahl, oder auch zuletzt die uneingeschränkte Verbreitung real verhafteter Gräueltaten. Alles für den Preis der grenzenlosen Freiheit.
Besonders dramatisch sieht man diese Probleme dort, wo anfangs unbesiedeltes Land, also ein gewissermaßen rechtsfreier Raum betreten wird. Sprechen wir über die Anfänge des Internets, welches zurecht in den Frühphase mit der Besiedelung des Wilden-Westen verglichen wird. Jeder Mensch kann sich dorthin begeben und es scheint keine Grenzziehungen zu geben. Hervorgebracht hat diese Grenzenlosigkeit die schlimmsten Triebe und amoralischen Verhaltensweisen in der Menschheitsgeschichte. Cybermobbing, Urheberrechtsverletzungen, Propaganda, Wahlmanipulation, Suchtverhalten, Datendiebstahl, oder auch zuletzt die uneingeschränkte Verbreitung real verhafteter Gräueltaten. Alles für den Preis der grenzenlosen Freiheit.
Es braucht Grenzen, auch dessen, was wir unter Spaß
deklarieren, zumindest unter ökonomischer und moralischer Betrachtungsweise. Der
Konsument trägt hier natürlich auch eine gewisse Verantwortung. Und diskutiert
man über Folgen seines Verhaltens, so kann man sich an Kant erinnern. „Handle
nach derjenigen Maxime, zu der du nur zugleich wollen kannst, dass sie ein
allgemeines Gesetz werden kann.“ Das heißt auf Normaldeutsch, man solle bedenken,
was wäre wenn sich jeder so verhält wie man selbst ? Welche Konsequenzen folgen
daraus ? Leider handelt der Mensch nicht immer schwarmintelligent und auf das
Kollektiv bedacht, sondern oftmals eigenbrötlerisch, egoistisch, narzisstisch.
Aufgabe von Politik sollte daher sein, die Gesellschaft anzuleiten,
zu gestalten, als auch Grenzen zu ziehen, Pflichten zu definieren und
aufzuzeigen, was als wünschenswert erachtet wird. Wobei Pflichten letztlich nur
ein anderes Wort für Verbote bezeichnet. Die Schulpflicht ist so gesehen nichts
anderes als ein Gesetz, das einem verbietet der Schule fern zu bleiben.
Analoges gilt für Helmflicht, Anschnallpflicht etc. Komischerweise stören sich
viele an dem Wort „Pflicht“ weniger. Es klingt semantisch positiver besetzt, wie eine
ehrenvolle Aufgabe. Ich plädiere daher für eine "Grenzziehungspflicht". Denn dort,
wo wir Grenzen überschreiten, verletzen wir womöglich die Freiheit und Rechte eines
anderen. Und es liegt gleichsam in unserer Verantwortung diese Grenzen zu
definieren, für uns selbst wie auch für uns alle. Es ist möglich. Man kann und
muss jeden Einzelfall entscheiden und abwägen. Notwendig ist es ohnehin.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen