Donnerstag, 12. September 2019

Auto-Immobil

"Und schauen sie, wir sind stolz auf unsere Autos. Das dürfen wir ja auch." So lautete der prägende Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel anfangs dieses Jahres auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Merkel bezog sich dabei auf die angekündigten Strafzölle durch die USA, welche die deutsche Autoindustrie ins Visier nehmen sollten. Noch berühmter wäre ihre Aussage gewesen, hätte sie ihrem einstigen Ruf der Klima-Kanzlerin nachgeeifert und noch die Worte ", aber in Zukunft werden wir sie nicht mehr benötigen" angehängt. In vielen Punkten mag das Auto hierzulande definitiv seine Berechtigung haben. Die Flexibilität im Alltag, die Erreichbarkeit und Freiheit auf dem Land, das Auto als Rückzugsort für Einsamkeit, Statussymbol des Mannes mit kleinem Penis, sowie Rückrat der deutschen Wirtschaft; und nicht zu vergessen, der Spaß am schnellen Fahren. Wer sich diese Dinge mal auf der Zunge zergehen lässt, wird (je nach ökonomischer und geografischer Lage) eher Skepsis hegen. Ich gehe noch einen Schritt weiter und sage : Alles Mumpitz.

Das Auto hat die Stadt parzelliert. Egal wo man hinschaut, überall stehen die hochgezüchteten Luxus-Karossen nutzlos herum. Ich habe mir einmal den Spaß gemacht und auf meinem Weg zur Arbeit sämtliche, in meinem Blickfeld auffindbaren Parker aufzulisten. Knapp zweihundert Stück, bei zehn Minuten Fußmarsch. Die Bahnfahrt nicht mit eingerechnet. Sie stehen an Straßen, Bahnhöfen, Universitäten, Geschäften, Eigentumswohnungen und Studentenwohnheimen. Es gibt hier offensichtlich zwei Probleme. Das eine besteht in dem erheblichen Platzverbrauch. Die Stadt ist nicht mehr Menschen-zentriert, das Auto steht im Mittelpunkt. Nicht nur, dass der humanitäre Lebensraum verdrängt wird (Parkhäuser, Garagen, Stellplätze), gleichsam wird das Auto nötig um an gewisse Orte zu gelangen, da alternative Anbindungen fehlen.

Das andere Problem besteht in der Tatsache, dass Autos rosten und gleichsam als gefrorenes Kapital betrachtet werden können. Dazu eine kleine Milchmädchenrechnung um den Punkt zu verdeutlichen (Die folgenden Zahlen sind der Einfachheit halber grob überschlagen, also eigentlich sogar mehr.). In D. gibt es etwa 40 Mio. Pkws, wobei die Auslastung für ein Auto im Durchschnitt 4-5 % beträgt. Oder anders ausgedrückt, ein Auto in D. steht durchschnittlich 95% herum.

Würde man den Privatbesitz von Autos verbieten, mit selbstfahrenden Autos, Umstieg auf ÖPNV oder Car-Sharing die Auslastung steigern, so könnte man realistisch etwa 30 % Betriebszeit erreichen. Also ist die Auslastung etwa sechsmal höher und wir benötigen nur noch ein sechstel der Autos von heute, das wären ca. 7 Mio. Folglich benötigen wir 33 Mio. der gegenwärtigen Fahrzeuge gar nicht. Und um noch einen drauf zusetzen: Rechnet man mit einem durchschnittlichen Preis von 20 000€ für einen Neuwagen, dann sind so gesehen 660 Milliarden Euro gefrorenes Kapital versenkt und rostet gemütlich vor sich hin. (Man bedenke, dass hier Sprit, Reparaturen und Versicherung noch nicht mit eingerechnet sind. )
Es ist offensichtlich, ökonomisch geht anders. Mobilität geht effizienter und natürlich auch umweltfreundlicher; denn da war ja auch noch dieses Abgasproblem mit dem CO2 und dem Feinstaub.

Aber keine Sorge, die Regierung hat das endlich erkannt. Deswegen ersetzen wir nun alle Autos einfach mit fortschrittlicher E-Mobilität. Das löst zwar nicht das Problem mit der Auslastung und der Auto-Zentrierung, aber wir müssen ja irgendwie Exportweltmeister bleiben. Und Wohlstand definiert man hier sowieso nur über seinen Kilometerstand. Und keine Sorge, für diejenigen, die ganz radikal sind und sich keinen Batterie-getriebenen Pkw leisten können, für die gibt es auch schon eine Alternative. Nach zwanzig Jahren Gelaber über Mobilität der Zukunft, da sind wir nun endlich bei der finalen Lösung angekommen. Der E-Scooter. Ein Gefährt für Leute, die für das Fahrrad zu fett und faul sind, aber trotzdem hip und cool sein wollen. Weil Fahrradfahren, das ist so was von gestern und wir sind doch Zukunft, wir sind Vorreiter in Sachen Technologie. In Stuttgart gibt es deswegen schon ein paar E-Roller. Damit gelingt die Mobilitätswende ganz sicher, denn so müssen wir auch keine Fahrradschnellstraßen oder Fahrradwege bauen. Und wenn das nicht klappt ? Keine Sorge, dann hätte ich auch schon einen weiteren Vorschlag, wie wäre es mit E-Rikschas ?   

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